Über 1500 Jahre älter soll der Landgraben nach der Hypothese eines Expertenteams aus Landesarchäologie und verschiedener deutscher Universitäten sein, angelegt von der römischen Besatzung des Ried im 1. Jh. n.Chr. Jetzt sei es an der Archäologie, diesen Verdacht weiter zu bestätigen, berichtete Landesarchäologe Prof. Dr. Udo Recker bei der Vorstellung eines kooperativen Forschungsprojektes des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Darmstadt, gemeinsam mit den Universitäten Frankfurt, Mainz und Kiel, welches dem Landgraben nun „auf den Grund“ geht. Unterstützung erhält das Forscherteam von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), welche die Untersuchungen mit 370.000 € fördert.
Naheliegende Versorgungswege
Die These ist bestechend: die Errichtung künstlicher Wasserstraßen konnte für die Römer außerhalb Deutschlands bereits mehrfach belegt werden und der Landgraben könnte die Versorgung der römischen Kastelle und Zivilsiedlungen mit Holz und Stein aus einer ressourcenreichen Region bis ins 4. oder 5. Jahrhundert gesichert haben, erläuterte Prof. Markus Scholz von der Goethe-Universität Frankfurt. Vergangene Funde wie umgenutzte Transportfässer untermauern die These des Gütertransports in die Region. Immerhin ist die flächendeckende Präsenz der Römer für das Ried schon lange belegt.
Moderne Untersuchungen für historische Wasserwege
Mittels geophysikalischer Untersuchungen, Bohrungen und gezielter kleiner Ausgrabungen wollen die Forscher nun Klarheit schaffen. Gesucht wird dabei nicht nur der ursprüngliche Verlauf des Landgrabens, auch die umliegenden römischen Siedlungsstellen und Kastelle hat das Team im Blick. Denn wie diese mit dem vermuteten Verlauf und Entwicklung des Kanals zusammenpassen, ist noch nicht abschließend geklärt. Nicht ohne Grund beginnen die Untersuchungen im Umfeld von Groß-Gerau - Wallerstädten, nahe des hiesigen Römerkastells. Im Rahmen eines Geländepraktikums vermessen Studierende der Universität Mainz hier das Gebiet, messen den elektrischen Widerstand im Boden, um alte Flussverläufe zu identifizieren und nehmen gezielte erste Bohrungen vor, wie Prof. Andreas Vött von der Universität Mainz im Gelände berichtete. Die Erkenntnisse der Studierenden ermöglichen es, frühere archäologische Ausgrabungen neu und das Verhältnis zwischen Kastellplatz und Gewässer besser zu bewerten. Diese umfassende Kooperation zwischen Archäologie und Geographie, zwischen Landesforschung und Universitäten heben die Untersuchungen im hessischen Ried für Dr. des. Thomas Becker, Koordinator der Außenstelle Darmstadt der hessenARCHÄOLOGIE hervor und erklären auch das Interesse der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Regionale Landesforschung
Neben der Unterstützung durch die DFG sei für die Untersuchungen auch die Kooperation mit den ansässigen Landwirten und der Kommune entscheidend, ergänzt Recker. Das regionale Interesse bestätigte der erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Groß-Geraus, Adil Oyan, bei der Präsentation des Projektes im Gelände. Er begrüßte die Gelegenheit, die archäologischen Untersuchungen des Landes einmal live zu erleben und freue sich auf viele spannende Erkenntnisse aus der Geschichte des Landkreises.
Mit abschließenden Ergebnissen rechnet das Team zwar erst in Jahren, doch wird es auch in der Zwischenzeit viele spannende neue Ergebnisse zwischen Groß-Gerau und der Mündung des Landgrabens geben.
Die Projektbeteiligten
Professor Dr. Udo Recker, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abteilung hessenARCHÄOLOGIE
Dr. des. Thomas Becker, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abteilung hessenARCHÄOLOGIE, Außenstelle Darmstadt
Professor Dr. Markus Scholz, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen
Archäologie und Geschichte der Römischen Provinzen an der Goethe-Universität FrankfurtÖffnet sich in einem neuen Fenster
Professor Dr. Andreas Vött, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Geographisches Institut, Lehrstuhl für Geomorphologie
Die Geomorphologie an der Johannes Gutenberg-Universität MainzÖffnet sich in einem neuen Fenster
Dr. Dennis Wilken, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Geowissenschaften, Abteilung Angewandte Geophysik
Das Institut für Geowissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Öffnet sich in einem neuen Fenster