Franziska Ihle-Wirth bei Ihrer Rede

Bau- und Kunstdenkmalpflege

Blick in die Vergangenheit – Vorstellung von Bauzeichnungen des Fuldaer Denkmalbestandes

Am 28. Juni 2023 wurde in der barocken Bibliothek der Theologischen Fakultät Fulda ein Zeichnungsbestand des Architekten Ernst Wenzel erstmals einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Die Zeichnungen entstanden 1908 für die Denkmalinventarisation und wurden erst in jüngerer Zeit wiederentdeckt.

Im Rahmen der Erarbeitung eines Denkmalinventars für den Kreis Fulda wurde der Architekt Ernst Wenzel 1908 mit der Bauaufnahme historischer Gebäude der Stadt Fulda sowie der Altlandkreise Fulda, Hünfeld und Gersfeld beauftragt. Er erstellte Lagepläne, Grund- und Aufrisse, Detailzeichnungen und Fotografien der bedeutenden historischen Gebäude. Kurz vor Fertigstellung wurde die Arbeit unterbrochen und das geplante Inventar blieb unvollendet.

Über 100 Jahre später wurde der Zeichnungsbestand jüngst wiederentdeckt und wird nun mit dem Band 35 der Reihe Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Rahmen eines feierlichen Vortragsabends wurden die Bauaufnahme Wenzels und das frisch erschienene Arbeitsheft vorgestellt.

Die Grußworte von Dr. Alessandra Sorbello Staub, Bibliotheksdirektorin der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars, richteten sich an die Gäste, die im Saal sowie virtuell via Zoom teilnahmen. Ebenso dankte sie allen, die diese Veröffentlichung erst ermöglichen konnten: dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, der Stadt Fulda sowie nicht zuletzt den Autorinnen des Buchs.

Dr. Verena Jakobi, Landeskonservatorin im Landesamt für Denkmalpflege Hessen, betonte, dass vor allem der Wissensstand über die Geschichte der Denkmäler ausschlaggebend für die Arbeit der Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger sei. Selbst nach über 100 Jahren, geprägt durch Kriegszerstörung, Wiederaufbau, Umbau und Neubau oder vielleicht gerade deswegen, seien die Zeichnungen, Pläne, Fotografien und Detailaufnahmen von großem Wert.

Die Erfassung und Erforschung sowie die Beschreibung und Bewertung schützenswerter Gebäude ist seit jeher die Grundlage unseres denkmalpflegerischen Arbeitens.

Dr. Verena Jakobi Landeskonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege Hessen

Die Zeichnungen und Fotografien sind Momentaufnahmen des Denkmalbestandes von Stadt und Landkreis Fulda zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie wurden nun in ihrem überlieferten Bestand erschlossen und sind vor allem für die praktische Denkmalpflege sowie für die Bauforschung von großer Relevanz und bilden eine wichtige Quelle.

Nach den Grußworten von Gerhard Möller, Oberbürgermeister a. D. und Vorsitzender des Geschichtsvereins, nahm Franziska Ihle-Wirth die Gäste mit auf ihre Spurensuche, die sich durch ganz Fulda zog. Angefangen hatte alles 2014, als sie drei Mappen in der Bibliothek des Priesterseminars mit Zeichnungen von Ernst Wenzel fand. Diese waren nur wenigen Eingeweihten bekannt. Weiter ging es im Stadtarchiv: Dort fand sie über 70 Fotografien, weitere im Bildarchiv Foto Marburg. Nach intensiver Recherche stieß sie auf einen lokalen Zeitungsartikel aus dem Jahre 1909. In diesem wurde von einer reichhaltigen Sammlung Wenzels gesprochen. Franziska Ihle-Wirth erkannte den Schatz, auf den sie gestoßen war und meldete sich 2017 beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen mit der Idee, das Werk Wenzels über 100 Jahre später zu publizieren. Für das Arbeitsheft bereitete sie den Bestand auf, recherchierte zu den Gebäuden und kommentierte die Zeichnungen, sodass sich Frau Ihle-Wirth mittlerweile zu einer ausgewiesenen Kennerin Ernst Wenzels entwickelt hat.

In dem Arbeitsheft wird der Zeichnungsbestand in vier einleitenden Beiträgen eingebettet und erläutert. Neben der Einführung zur „Sammlung Wenzel“ von Frau Ihle-Wirth enthält der Band Beiträge zur Geschichte der Denkmalinventare von Dr. Hanna Dornieden, zur Anwendung der Zeichnungen in der Bauforschung von Christine Kenner und zum Nutzen in der praktischen Denkmalpflege von Britta Schack.

Dementsprechend führte Dr. Hanna Dornieden die Gäste in die Geschichte der Denkmalinventare ein. Vom Erstellen erster Listen der zu schützenden Monumente Anfang des 19. Jahrhunderts bis zu den Inventaren als ausführliche quellenbasierte Dokumentationsinstrumente war es ein weiter Weg.

Britta Schack verwies auf die Bereicherung des Werks für die praktische Denkmalpflege, das nicht nur ein authentisches Bild des Denkmalbestandes vor 100 Jahren gebe, sondern auch einen Einstieg in die Quellenrecherche bilde. Am Beispiel einiger Instandsetzungsvorhaben der jüngeren Zeit zeigte sie auf, dass der Planbestand bereits wertvolle Informationen geliefert hat.

Denn Abschluss des Abends bildete der Beitrag von Patricia Roth, Grafikerin des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen. Sie gab spannende Einblicke in die Entstehung des Arbeitsheftes und die sensible Bearbeitung der Zeichnungen und Fotos für den Katalogteil.

Mit einem Umtrunk klang der Abend stimmungsvoll im Garten des Priesterseminars aus. Beteiligte und Gäste konnten nicht nur auf den gelungenen Abschluss eines wichtigen Projektes anstoßen. Der Abend war auch äußerst vielfältig von der Geschichte der Wiederentdeckung eines verschollen geglaubten Bestandes über den Einblick in die Entstehung eines Arbeitsheftes bis hin zur schlaglichtartigen Beleuchtung einiger wichtiger Baudenkmäler in Stadt und Landkreis Fulda.

Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars, der Stadt Fulda sowie dem Fuldaer Geschichtsverein e.V.

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