Mit neun Vorträgen und einem fulminanten Abendvortrag deckten die Rednerinnen und Redner dabei ein breites Spektrum an bodendenkmalpflegerischen Themen ab. Dabei ging es von den Kiesgruben Niederweimars durch die historischen Gassen Wetzlars und die Flussauen des hessischen Rieds bis in die Weiten des Odenwaldes – und von den tiefen Fundamenten Frankfurts bis zu den hohen Fürstensitzen der Kelten – um schließlich im Herzen der Bergstraße zu gipfeln.
Willkommen in Bensheim
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Grußworte der Hessischen Staatssekretärin Ayse Asar (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst) sowie der Bürgermeisterin der Stadt Bensheim, Christine Klein.
Klein begrüßte die Teilnehmenden im Namen der Stadt im KUKO Bensheim und betonte die Bedeutung der Archäologie für die Region. Ein besonderes Augenmerk legte Klein dabei auf das Museum Bensheim und seinen Museumsleiter Dr. Christoph Breitwieser. Nicht nur besitzt das Museum nach Darmstadt die zweitgrößte archäologische Sammlung Südhessens – Breitwieser wurde zudem erst wenige Tage zuvor, am 31. Oktober, für seine Dissertation mit dem Eduard Anthes–Preis ausgezeichnet.
Diese Auszeichnung griff auch Staatssekretärin Asar auf, überreichte sie doch in Frankfurt den Preis. Sie stellte die Wichtigkeit der Bodendenkmalpflege für den Erhalt des hessischen kulturellen Erbes unter zunehmend erschwerten Bedingungen in den Fokus und überbrachte für dieses Engagement auch den Dank der Staatsministerin Angela Dorn.
Landesarchäologe Prof. Dr. Udo Recker griff in seinem Rückblick zur Eröffnung der Veranstaltung die Worte von Staatssekretärin Asar auf: Nicht nur sei die Belastung durch Infrastruktur- und städtische Bauprojekte weiterhin hoch, mit Themen wie den erneuerbaren Energien und dem Klimawandel rücke zudem auch der Wald immer stärker in den Fokus der Landesarchäologie. Umso wichtiger sei daher die Unterstützung durch das Land, um die notwendigen Voraussetzungen zur Bewältigung dieser Aufgaben zu schaffen. Ein bedeutender Schritt sei dabei der Beschluss zum Bau eines zeitgemäßen archäologischen Zentraldepots. Um die Arbeit der hessenARCHÄOLOGIE an ein breites, interessiertes Publikum vermitteln zu können, war es zudem besonders erfreulich, dass in diesem Jahr das Jahrbuch hessenARCHÄOLOGIE wieder pünktlich zur Veranstaltung erschienen war.
Durch den Abend führten gewohnt souverän die Leiterin der Bodendenkmalpflege Dr. Sabine Schade-Lindig und der hessische Limesbeauftragte Dr. Kai Mückenberger.
Ein besonderer Dank geht in diesem Jahr an die Stadt und das Museum Bensheim für ihre Gastfreundschaft und die Unterstützung der Veranstaltung selbst: In der Mittagspause gab es historische Stadtführungen, das Museum öffnete seine Türen und am frühen Nachmittag spendierte Bensheim zudem Kaffee und Kuchen für alle Gäste.
Von frühen Kelten und tiefen Fundamenten
Die Reihe der Vorträge eröffnete Dr. Dieter Neubauer mit einem Blick auf die keltische Nekropole von Bad Soden am Taunus. Neubauer stellte dabei eindrucksvoll die Grabfunde von Bad Soden – unter anderem ein Goldring und Waffenfunde aus Elitengräbern – in den Kontext der früheisenzeitlichen Besiedlung Hessens. Von den frühen Kelten sprangen Dr. Sandra Sosnowski und Ferenc Kántor an das Ende der Eisenzeit. Aus der eisenzeitlichen Fundstelle von Waldbrunn-Lahr stellten sie handgefertigte Feinkeramik, Fibeln und Münzen aus einem gut 40 Hektar großen Siedlungsbereich vor. Der folgende Vortrag von Dr. des. Thomas Becker und Prof. Dr. Andreas Vött (Universität Mainz) führte das Publikum in den Süden des Landes und galt dem Eingriff des Menschen in die natürlichen Flussläufe des hessischen Rieds. Im Rahmen eines DFG-geförderten Projektes erforschen hier seit 2023 die Universitäten Frankfurt, Mainz und Kiel gemeinsam mit der hessenARCHÄOLOGIE den Landgraben auf der Suche nach römischen Spuren. Becker und Vött gaben einen eindrucksvollen Überblick über die ersten Ergebnisse dieses interdisziplinären Ansatzes. Den ersten Vortragsblock schloss Dr. Andrea Hampel vom Denkmalamt Frankfurt ab. Sie entführte das Publikum in die Tiefen der Frankfurter St. Leonhard-Kirche – tiefer sogar, als zuvor über viele Jahrzehnte angenommen. Denn archäologische Untersuchungen zeigten hier entgegen aller Erwartung, dass der ursprüngliche Fußboden der Kirche viele Meter unter dem heutigen Boden zu finden ist. Mit starken Bildern veranschaulichte sie, wie plötzlich Säulenfundamente und Portale mehrere Meter über dem ehemaligen Boden fußen und welche Fundvielfalt im Untergrund der Kirche schlummerte.
Von altem Eisen und neuer Vermittlung
Den zweiten Vortragsblock eröffnete Dr. Sandra Sosnowski mit ihrem Blick auf den Aufstieg und die Blüte der Freien Reichstadt Wetzlar aus archäologischer Sicht. Sosnowski bewies, dass selbst inmitten hessischer Städte noch neue archäologische Kenntnisse über die Stadtgeschichte und Stadtgeschichten unter dem Boden auf ihre Entdeckung warten können. Weit aus den Städten hinaus in die Tiefen des Odenwaldes führte anschließend Dipl.-Geol. Jochen Babist vom Verein Altbergbau Bergstraße-Odenwald e.V. Die dortigen laufenden montan- und landschaftsarchäologischen Forschungen im Eisenerzbergbaurevier bildeten den Kern von Babists Ausführungen. Er zeigte eindrucksvoll, wie auch heute noch teils unscheinbare Spuren Auskunft geben über historische Eisenerzförderungen und -verarbeitungen, die dereinst mehrere hunderttausend Tonnen an Eisenerz umfasste. Aus dem Odenwald ging es zurück in die nördlicheren Gefilde Hessens, zu den Kiesgruben Niederweimars. Hier berichtete Dr. Christa Meiborg über die bereits jahrzehntelange Begleitung der Arbeiten in den Kiesgruben. Seit 1997 hat sich hier eine gewaltige Menge an Funden und Befunden vom Neolithikum bis zur Neuzeit angesammelt. Allein bis 2017 kommen die Archäologinnen und Archäologen der Außenstelle Marburg inzwischen auf rund 135.000 Einzelfunde. Die großflächigen Grabungen bieten dabei beeindruckende Einblicke in die Siedlungsgeschichte des Landes und zeigen, wie wichtig es ist, Flächen in ihrer Ganzheit erfassen zu können. Wie diese vielen Erkenntnisse vermittelt werden können, zeigt das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kiesgrube entstehende archäologische Freilichtmuseum Zeiteninsel. Dr. Andreas Thiedmann berichtete über den aktuellen Arbeitsstand, der mit der diesjährigen Grundsteinlegung für das Besucherzentrum, dem Herzstück des Museums, in die finale Phase eingetreten ist. Viele der Stationen von der Jungsteinzeit bis zur frühen Römerzeit sind bereits vollendet – mit dem neuen Besucherzentrum soll der Museumsbetrieb im Jahr 2024 vollständig starten. Besuchen lässt sich die Zeiteninsel aber auch jetzt bereits.
Einen weiteren musealen Erfolg feierte Dr. Vera Rupp nach der Kaffeepause. Mit Partnern in ganz Hessen – unter anderem dem gastgebenden Museum Bensheim – konnte vom Glauberg aus das 2022 gestartete archäologische Jahr Kelten Land Hessen in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen werden. Rupp blickte zurück auf eine spannende Reise, interessante Ausstellungen und zukunftsweisende Kooperationen. Für die Archäologin war es nicht nur ein Herzensprojekt, sondern auch ein fulminanter Abschluss ihrer Zeit als Direktorin der Keltenwelt. Für ihre jahrzehntelange Arbeit bedankte sich im Anschluss zu ihrem Vortrag Prof. Recker unter dem verdienten Applaus des Publikums.
Das Herz der Bergstraße
Den krönenden Abschluss des 13. hessenARCHÄOLOGIE-Tages bildete der gemeinsame Abendvortrag von Dr. des. Thomas Becker – in Vertretung für den Bezirksarchäologen Peter Steffens M.A. – und dem Mitveranstalter und Leiter des Museums Bensheim, Dr. Jan Christoph Breitwieser. Die beiden Archäologen führten über eine Stunde lang unterhaltsam durch die historische Archäologielandschaft der Bergstraße. Becker blickte dabei aus der Sicht der Landesarchäologie auf die jüngeren und jüngsten archäologischen Entwicklungen und Erkenntnisse des Kreises, während Breitwieser anhand der beeindruckenden Sammlung und spannender (Fund-) Geschichten des Museums den Blick auf das Bensheimer Herz der Bergstraße richtete. Beide Referenten erzählten dabei die archäologische Geschichte der Bergstraße zwischen aufstrebenden Gewerbegebieten und kuriosen Kellerfunden. Sie berichteten vom Wohnen, Schmelzen und Sterben im hessischen Ried, von der Suche nach merowingischen Gräbern und den menschlichen Spuren an der Weschnitz. Ein besonderer Blick galt den über hundert Jahren musealer Entwicklung in Bensheim, mit all ihren Tücken und Höhepunkten bis hin zu einer modernen Ausstellung mit Archäodiversitätswand, Paläo-Streichelzoo, britischen Speeren und romanischen Traubenkernen. Den Vortrag beendete Breitwieser mit dem Blick auf ein reichverziertes Schmuckensemble mit goldgefassten Skarabäen. Wie das Ensemble Ägypten mit dem Museum Bensheim verbindet, fragte sich wohl jeder im Saal des KUKO Bensheim … Breitwiesers Antwort: Fortsetzung folgt!