Der Eduard-Anthes-Preis ist die älteste und höchstdotierteste archäologische Auszeichnung in Deutschland. In diesem Jahr wurde der mit 7.500€ dotierte Preis durch den hessischen Staatssekretär Christoph Degen, die stellvertretende Landesarchäologin Dr. Sabine Schade-Lindig, sowie den Vorsitzenden der Altertumsfreunde im Regierungsbezirk Darmstadt e.V., Prof. Dr.-Ing. Clemens Brünenberg an gleich zwei Arbeiten vergeben. Dr.-Ing. Birgit Nennstiels Dissertation beschäftigt sich mit „Hölzernen Großbauten – Principia und Praetorium im frühkaiserzeitlichen Militärlager Marktbreit. Möglichkeiten und Grenzen der Rekonstruktion“ und Dr. Roman Zabolotnîi befasst sich in seiner Dissertation mit der „Wüstung von Wetzlar-Dalheim. Studien zur mittelalterlichen Besiedlungsgeschichte im Randbereich der deutschen Mittelgebirgszone“.
Wir ehren heute eine Wissenschaftlerin und einen Wissenschaftler, deren Arbeiten in besonderer Weise zeigen, wie Archäologie auch gesellschaftliche Relevanz entfaltet. Ihre Dissertationen verdeutlichen, dass historische Forschung auch zentrale Zukunftsfragen berührt.
Wie hochentwickelt römische Bau- und Logistikstrukturen waren, zeigte Frau Dr. Nennstiel in ihrer Dissertation, die die hölzernen Großbauten des römischen Militärlagers Marktbreit untersucht. Besonders relevant sei der Blick auf Materialeffizienz und Nachhaltigkeit, er könne auch von heute stammen, so Degen. Zeitgleich reflektierte die Dissertation kritisch den Umgang mit digitalen Rekonstruktionen, einer politisch wie gesellschaftlich wichtigen Frage, da visuelle Darstellungen auch historische Wahrnehmungen prägen. Nennstiel verbindet in ihrer Arbeit technisches Können und methodische Präzision mit einem Bewusstsein für aktuelle Diskussionen.
Herr Dr. Roman Zabolotnîi erforschte die Mittelalterliche Wüstung Dalheim bei Wetzlar, deren Geschichte durch Ausgrabungen der hessenARCHÄOLOGIE im Zuge des Ausbaus der Bundesstraße 49 ans Licht kamen. Seine Arbeit zeigt, wie eng Archäologie mit modernen Infrastrukturprojekten verwoben ist.
Beide ausgezeichneten Arbeiten zeigen, wieviel Potenzial noch in den Archiven und Depots der Landesarchäologien liegt.
Durch Grabungen, Fundanalysen und historische Quellen rekonstruierte Zabolotnîi die Entwicklung des Dorfes und ordnete es in den mittelalterlichen Siedlungswandel ein. Dadurch werde sichtbar, dass Veränderungen in Klima, Politik und Gesellschaft alle Bereiche des Lebens prägen, erläuterte Degen. Gerade heute, in einer Zeit von tiefgreifenden Transformationsprozessen, liefert diese Forschung auch wichtige Perspektiven auf Gegenwart und Zukunft.
Beide Preisträger haben mit ihren Arbeiten Maßstäbe gesetzt. Sie zeigen, wie archäologische Forschungen aktuelle wissenschaftliche Debatten bereichern und Impulse für weitere Untersuchungen geben können.
Nach den Grußworten wurden die Arbeiten und die Preisträger durch ihre akademischen Lehrer, Frau Prof. Dr. Dorothée Sack (Technische Universität Berlin) für Frau Nennstiehl und Herrn Prof. Dr. Andreas Schäfer (Universität Bamberg) für Herrn Zabolotnîi, gewürdigt. Deren Ausführungen zeigten zwei ungewöhnliche Viten der Wissenschaftler, die sie zur Anfertigung der prämierten Arbeiten führten.
Die Preisverleihung fand in diesem Jahr zum Abschluss des VARM-Tages im Casino-Gebäude des Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt am Main statt.