Olaf Köhler und Mareike Göddel von der Unteren Denkmalschutzbehörde der Wissenschaftsstadt Darmstadt; Dr. des. Thomas Becker, Koordinator der Außenstelle Darmstadt der hessenARCHÄOLOGIE und zuständiger Bezirksarchäologe sowie der Darmstädter Stadtrat Michael Kolmer.

hessenARCHÄOLOGIE

Darmstadts ältester Friedhof

Wo heute die belebte Fußgängerzone um die Darmstädter Stadtkirche verläuft, ruhen nur wenige Meter unter dem Pflaster noch immer die hunderte Jahre alte Gebeine der frühen Darmstädterinnen und Darmstädter. Durch die Verlegung neuer Wasser- und Gasleitungen notwendig gewordene Ausgrabungen erlaubten nun einen seltenen Einblick in Darmstadts ältesten bekannten christlichen Friedhof.

Reibungslose Zusammenarbeit

Da schon zur Planung der neuen Leitungen mit einem Eingriff in den Friedhof zu rechnen war, begannen bereits frühzeitig Gespräche zwischen der Stadt als Denkmalschutzbehörde, der Außenstelle Darmstadt der hessenARCHÄOLOGIE und dem Netzbetreiber E-Netz, wie Stadtrat Michael Kolmer erklärte.

Hierzu arbeiten die Stadt und hessenARCHÄOLOGIE eng mit den Vorhabenträgern und Fachfirmen zusammen, um die Maßnahmen möglichst optimal umzusetzen.

Michael Kolmer Stadtrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt

Dank der frühzeitigen Planung konnte die vorgreifende Untersuchung optimal in den Bauprozess integriert werden, bestätigte auch der Sprecher der E-Netz Südhessen und ENTEGA Tim Städter.

Gemeinsam mit der Stadt (Stadtrat Michael Kolmer, Olaf Köhler und Mareike Göddel von der Unteren Denkmalschutzbehörde) und den Bauherren (Tim Städter, E-Netz Südhessen/ENTEGA) stellte die hessenARCHÄOLOGIE im Landesamt für Denkmalpflege Hessen am 04. Juli die Ergebnisse der Ausgrabungen vor. Neben den Bestattungen und baulichen Spuren am Rande des Friedhofs reichten die Funde dabei bis in die Bronzezeit zurück.

Der Friedhof Darmundestats

Insgesamt 13 Bestattungen entdeckte das Team der ausführenden Grabungsfirma SPAU GmbH um Grabungsleiterin Regine Müller in den gut einen Meter breiten Kanalgräben. Die gefundenen Bestattungen zeichneten dabei das typische Bild eines städtischen Friedhofs des Mittelalters, erläuterte der zuständige Bezirksarchäologe Dr. des. Thomas Becker. Die vollständigen Bestattungen wiesen zum Teil spuren hochwertiger Särge, deren verzierte Griffe und Spuren des Sargholzes noch erfasst werden konnten. Durch den engen Raum wurden jedoch viele der früheren Gräber bereits zu Zeiten des Friedhofes wieder geöffnet. Es fand sich umfangreiches umgelagertes Knochenmaterial von älteren Bestattungen. Eine Schicht aus Knochen südwestlich der Kirche gibt dabei Hinweise auf ein sogenanntes Beinhaus, in welchem diese älteren Bestattungen gesammelt erneut beigesetzt wurden.

Die Ausgrabungen bieten einen umfangreichen Einblick in den ältesten christlichen Friedhof Darmstadts.

Die genaue Datierung des Friedhofs und der Vorgängerkirche der heutigen evangelischen Stadtkirche lässt sich ob der vielen Umbaumaßnahmen nur schwer greifen. Während schriftliche Erwähnungen Darmstatds – zuerst als Darmundestat – bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, datiert die erste offizielle Erwähnung der Kirche erst in das Jahr 1369. Damit fanden die archäologischen Untersuchungen in einem der Kernbereiche der mittelalterlichen Besiedlung der Stadt statt. Die mittelalterlichen Funde des nun erforschten Friedhofs datieren die Expertinnen und Experten bis in die Zeit der ersten Erwähnung Darmstadts zurück. Einzelne Keramikfragmente datieren bis ins 12. Jahrhundert zurück. Eine bronzezeitliche Scherbe zeigte jedoch auch, dass das Gebiet des heutigen Darmstadts bereits vor vielen Jahrtausenden besiedelt wurde.

Trotz der Zerstörungen in der Darmstädter Brandnacht 1944 und der umfangreichen Bodeneingriffe, die im Zusammenhang des Wiederaufbaus stattfanden, ist immer noch viel Denkmalsubstanz aus der Stadtgeschichte im Boden erhalten.

Dr. des. Thomas Becker Koordinator Außenstelle Darmstadt

Ein Gruß aus der Vergangenheit

Einen Teil der kirchlichen Baugeschichte konnte das Grabungsteam ebenfalls entdecken, wie Becker berichtete. Es handelt sich dabei um zwei Schieferplatten, die einst das Kirchendach deckte und auf welchen sich „Johan Valentin Granel 1704“ verewigte.

Auf der geborgenen Schieferplatte verewigte sich wohl einer der Bauarbeiter der Kirche.

Wer Granel gewesen sein könnte, konnte gemeinsam mit dem Stadtarchiv herausgefunden werden. Es handelte sich wahrscheinlich um einen der Handwerker, welcher an der Sanierung der Stadtkirche im frühen 18. Jahrhundert beteiligt war. Abrechnungen der Neueindeckung des Daches aus dem Jahre 1704 liegen noch heute im Stadtarchiv. Damit sind die Schieferfunde direkte Einblicke in die Darmstädter Stadtgeschichte.

Die Untersuchung zeigt, wie viele historische Spuren der Geschichte noch im Darmstädter Boden erhalten sind. Diese Spuren gilt es auch in Zukunft zu dokumentieren, um die Quellen der Stadtgeschichte zu sichern und die weitere Entwicklung der Stadt zu ermöglichen.

Michael Kolmer Stadtrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt

Untersuchungen wie die vorgestellte, aber auch am Saladin-Ecke und im Residenzschloss ergänzen unsere Kenntnis vom mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Darmstadt. Man dürfe daher auch gespannt auf die kommende archäologische Begleitung der Sanierung des Ernst-Ludwigs-Platzes schauen, ergänzte Becker abschließend.

Schlagworte zum Thema