Eine bewegte Geschichte

Historische Aufnahme des Ölschieferabbaus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ölschiefertagebau, Mülldeponie und UNESCO-Weltnaturerbe

1859
Die Bergbaugeschichte der Grube Messel begann mit der Errichtung einer Raseneisenerzgrube. Beim Abbau dieses Erzes stieß man auf braunkohleartigen Horizonte des Messeler Sees, welche zu Anfang des Grubenbetriebes mitabgebaut wurden, und schließlich auf den Ölschiefer, auf dessen Förderung sich der Abbaubetrieb bis zur Einstellung des Betriebs im Jahre 1971 fokussierte. Der Ölschiefer wurde ab den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts von der eigens dazu gegründeten Gewerkschaft Messel abgebaut und in unmittelbarer Peripherie zum Grubenareal zur Gewinnung von Erdölprodukten verschwelt.
1876
Noch im Zuge erster Ölschieferabbauversuche wurde ein erstes spektakulär erhaltenes Alligatorenskelett der Art Crocodilus ebertsi geborgen. 22 Jahre später veröffentlichte Ernst Wittich eine erste umfassendere wissenschaftliche Abhandlung über die Grube Messel in Form einer an der Universität Gießen vorgelegten Dissertation mit dem Titel: „Beiträge zur Kenntnis der Messeler Braunkohle und ihre Fauna“ (1898).
1912
Die Rechte an den zu Tage tretenden Fossilfunden wurden den großherzoglichen Sammlungen zugesprochen, welche den Grundstock des heutigen Hessischen Landesmuseums Darmstadt (HLMD) bilden.
1923-25
Die Gewerkschaft Messel ging in den Besitz der Stinnes-Riebeck'schen Montan- und Ölwerke AG, ab 1925 Teil der I.G. Farben, über.
1945
Das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Werk wurde von der US-amerikanischen Militärverwaltung beschlagnahmt und dem I.G. Farben-Central-Office in Frankfurt a.M. unterstellt.
1954
Es folgte die Gründung der Paraffin- und Mineralölwerk Messel GmbH, die vom Bundesland Hessen die Grubenschürfrechte erhielt.
1959
Die GmbH wurde vom schwedischen Ytong-Konzern übernommen, welcher dort die Schwelabfälle des Ölschiefers zu Gasbetonsteinen verarbeitete.
1962
Die zunehmend unrentabel gewordene Mineralölgewinnung wurde eingestellt. Noch vor dem endgültigen Ende des industriellen Ölschieferabbaus fiel die Wahl bei der Suche nach einem geeigneten Standort für eine zentrale Mülldeponie für Südhessen auf die Grube Messel. Grund dafür war zum einen ihre Größe und zum anderen ihre zentrale Lage im Rhein-Main-Gebiet. Dass die Errichtung einer solchen Deponie zwangsläufig auch zum Ende der Fossilgrabungen geführt hätte, spielte in diesen Überlegungen keine größere Rolle, zumal auch Wissenschaftler seinerzeit dem Messeler Ölschiefer in dieser Hinsicht keinen außergewöhnlich hohen Wert beimaßen.
1971
Erst nach Ende des Ölschieferabbaus machten Fossiliensammler aufsehenerregende Funde und das unterschätzte wissenschaftliche und kulturelle Potenzial der Grube wurde zunehmend deutlich.
1974
Der Zweckverband Abfallbeseitigung Grube Messel (ZAGM) wurde gegründet.
1975
Das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt a. M. erhielt Grabungsbeteiligung in der Grube, woraufhin seither regelmäßig Grabungen durchgeführt werden.
1976
Der Senckenberg-Paläontologe Jens Lorenz Franzen veröffentlichte einen Aufsatz, in dem er den Messel-Fossilien eine herausragende Bedeutung bescheinigt: „Die Fossilfundstelle Messel - ihre Bedeutung für die paläontologische Wissenschaft“.
1977
Der ZAGM geantragte die Planfeststellung beim Hessischen Oberbergamt bezüglich der Großdeponie.
1979
Aufgrund des mittlerweile offensichtlichen hohen wissenschaftlichen Wertes der Grube erhoben die Senckenberger Forscher Einspruch beim Oberbergamt gegen den Planfeststellungsantrag.
1981
Nachdem das Oberbergamt per Planfeststellungsbeschluss die Errichtung und den Betrieb der Deponie genehmigt hatte, begannen im Jahr darauf die Bauarbeiten.
1984
Der damalige Umweltminister verordnete einen Baustopp in Messel. Der Betreiber, mittlerweile in Zweckverband Abfallbeseitigung Südhessen (ZAS) umbenannt, klagte dagegen jedoch vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof und bekam Recht, woraufhin die Bauarbeiten wieder aufgenommen wurden.
1986
Drei Jahre nach der Landtagswahl 1983 beantragte die Rot-Grüne Regierung beim Oberbergamt im den Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich der Inbetriebnahme der Deponie auszusetzen.
1987-88
Nachdem im Frühjahr eine CDU-geführte Regierung die Amtsgeschäfte in Hessen übernahm, wurde dieser Antrag wieder zurückgezogen, woraufhin die Messeler Bürgerinitiative zur Verhinderung der Mülldeponie, die sich bereits in den 1970er Jahren formiert und erfolglos mehrere Klagen gegen die Grube angestrengt hatte, ihrerseits per Eilantrag gegen die Inbetriebnahme vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel klagte und im Dezember 1987 aufgrund von Formfehlern im Planfeststellungsverfahren und neuer Gutachten zur Sicherheit der Deponie Recht bekam, was im November 1988 im Hauptverfahren bestätigt wurde. Obwohl eine Revision dieses Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen wurde, gaben das Hessische Umweltministerium und der ZAS ihre Pläne hinsichtlich der Mülldeponie auf.
1991
Nachdem die Grube vom Land Hessen angekauft wurde, übertrug es den Betrieb der Grube der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), die, wie auch das Hessische Landesmuseum Darmstadt, seither dort, offiziell unter bergrechtlichen Bedingungen, zu wissenschaftlichen Zwecken und nach Maßgaben des Hessischen Denkmalschutzgesetzes, Ölschiefer abbaut.

Im gleichen Jahr wurde die Fossillagerstätte als ortsfestes paläontologisches Bodendenkmal im Sinne der §§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 19 HDSchG a.F. erfasst und steht seitdem als Kulturdenkmal unter Schutz. Dieser gesetzliche Schutzstatus lag der Anerkennung als UNESCO-Weltnaturerbestätte zugrunde.
1994
Mittlerweile war die Grube Messel aufgrund zahlreicher Funde von einzigartiger Qualität zu einer Fossillagerstätte von Weltrang aufgestiegen, weshalb das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst bei der UNESCO die Aufnahme der Grube Messel in die Liste des Welterbes beantragte.
1995
Am 08.12. wurde die Grube Messel unter dem Eintrag „Messel Pit Fossil Site“ zum ersten deutschen UNESCO-Weltnaturerbe erklärt, welches laut § 3 Abs. 1 HDSchG unter dem besonderen Schutz des Landes steht.
2017
Um den dauerhaften Schutzstatus der Welterbestätte zu gewähren, entschlossen sich das Landesamt für Denkmalpflege Hessen, das Hessische Landesmuseum Darmstadt und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung dazu, die jahrzehntelang praktizierte Grabungs- und Dokumentationsmethodik zu evaluieren und ein einjähriges Grabungsmoratorium auszusprechen. Im Zuge dieses trafen sich am 23.-24.11. renommierte Forscher und Denkmalpfleger aus dem In- und Ausland zu einem Kolloquium – „Forschung in der Weltnaturerbestätte Grube Messel - Rückblick und Ausblick“ – im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, um den künftigen Umgang mit der bedeutenden Weltnaturerbestätte zu diskutieren. Ziel der Veranstaltung war es, einen Weg aufzuzeigen, wie künftig Forschungen in der Grube Messel ermöglicht werden können ohne dabei den dauerhaften Schutz dieses Bodendenkmals gemäß den umfassenden UNESCO-Bestimmungen für Welterbestätten und den Vorschriften des Hessischen Denkmalschutzgesetzes zu gefährden.
2018
Um zukünftige wissenschaftliche Arbeiten konkretisieren zu können, wurden auf dieser Veranstaltung gemeinsame Probegrabungen vereinbart, welche vom 02.05.-08.06. innerhalb des Grubenareals stattfanden. Sie dienten dazu, auf der Grundlage der bestehenden Grabungs- und Dokumentationsrichtlinien des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen eigene für die Grube Messel gültige Grabungsdokumentationsrichtlinien zu erarbeiten. Ferner wurden unterschiedliche Grabungstechniken sowie Herangehensweisen vor Ort erprobt, um dem vorgenannten Ziel der Erhaltung bei gleichzeitiger Erforschung möglichst umfassend gerecht werden zu können und zu gewährleisten, dass der Nachwelt ein höchstmögliches Maß an Informationen zur Verfügung steht und in Form einer umfassenden Dokumentation wissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeiten überliefert wird.