Foto von Überresten älterer Bebauungen im Marburger Landgrafenschloss.

Das Hoch- und Spätmittelalter

Besonders die im Hochmittelalter (Mitte 11. bis Mitte 13. Jh.) und im Spätmittelalter (Mitte 13. bis Ende 15. Jh.) entstandenen Ortschaften bilden fast immer den Siedlungskern unserer heutigen Dörfer und Städte. Das bedeutet für moderne Baumaßnahmen, dass besonders in den historischen Ortskernen bei Bodeneingriffen mit noch erhaltenen archäologischen Strukturen gerechnet werden muss.

Das Mittelalter in unseren Städten

Im heutigen Stadtbild sind noch oft die Reste der mittelalterlichen Stadtmauern und -tore erhalten, aber auch Mühlen, Warenumschlagsplätze und Brücken, die nicht selten in ihrer Funktion bis heute weitergenutzt werden. Bei Ausgrabungen in mittelalterlichen Stadtkernen finden sich etwa bauliche Reste von Holz- und Steinhäusern, Straßenpflastern, Brunnen, Latrinen und Befestigungen, die einen hervorragenden Einblick in den Lebensalltag der Menschen bieten. Auch in vermeintlich bereits durch Straßenbau gestörten Bereichen der historischen Städte werden relevante und erhebliche Reste der mittelalterlichen Strukturen beobachtet und geborgen, weshalb in Altstadtkernen mit einer Bauauflage zu rechnen ist.

Foto von unter dem Alsfelder Pflaster verborgenen Spuren eines älteren Rathauses.

Spuren in Feld und Wald

Andere dörfliche oder - auch seltener - städtische Siedlungen wurden von ihren Bewohnern aufgelassen und werden heute als „Wüstungen“ bezeichnet. Ursachen dafür können etwa die Rohstoffverknappung vor Ort, Seuchen, kriegerische Auseinandersetzungen oder klimatische Veränderungen gewesen sein. Die Namen der untergegangenen Ortschaften sind oft nur noch aus schriftlichen Überlieferungen bekannt, während die genaue Lage in Vergessenheit geraten ist. Durch Prospektionen, wie z. B. gezielte Oberflächenabsuchen nach Keramikscherben, Dachziegelresten und anderen Kleinfunden, können aber Wüstungen auf den Äckern wieder ausfindig gemacht werden. Bei archäologischen Ausgrabungen finden sich dann oft Standspuren der ehemaligen Holzgebäude, Abfallgruben, Brunnen, Wegespuren sowie Gegenstände der früheren Bewohnerinnen und Bewohner.

Eine Sonderform stellen Töpfereiwüstungen dar, also verlassene Orte, in denen ehemals Keramikgefäße produziert wurden. Dort finden sich etwa noch neben großen Abwurfhalden mit fehlproduzierten Gefäßen und Kacheln auch die Überreste von Brennöfen, die sich häufig bereits auf Luftbildern anhand der unterschiedlichen Bewuchsmerkmale im Ackerland abzeichnen. Im zerstörungsfreien geophysikalischen Messbild sind Wüstungen allerdings in der Regel kaum bzw. nur schlecht zu erfassen. Anders sieht es mit den zu den wüsten Ortschaften gehörigen Kirchen aus, die in der Regel in Steinbauweise errichtet waren und sich somit wesentlich besser im Messbild abzeichnen.

Zeugnisse weltlicher und klerikaler Macht

Auch die mittelalterlichen Niederungs- und Höhenburgen sind Bodendenkmäler, egal ob sie vollständig von Wald- oder Wiese bedeckt, sichtbar als Ruine oder gar als bewohntes Gebäude erhalten sind. Gerade bei den Burgplätzen mit noch oberirdisch erhaltenem Mauerwerk ist zu bedenken, dass mit jeder, auch konservatorisch verursachten Freilegung, anbindende Erdschichten entfernt werden, die anhand ihrer Zusammensetzung und dem dort erhaltenen Fundgut wertvolle Informationen zu dem früheren Bauwerk und der Gesamtanlage liefern. Deshalb ist jeder Bodeneingriff auf Burgplätzen zunächst zu vermeiden bzw. nur mit einer archäologischen Baubegleitung vertretbar. Zu der eigentlichen Kernburg mit Wehrmauer gehört aber meist auch die mittelalterliche Vorburgsiedlung und die zugehörige Infrastruktur wie Wege, Brunnen oder Mühlen.

Die heute noch oberirdisch bestehenden Kirchen und Klöster sind meist mittelalterlichen Ursprungs, auch wenn sie in jüngeren Perioden verändert und ergänzt worden sind. Diese Bauwerke sind aber häufig nicht nur Baudenkmäler. Denn alle älteren Erdschichten innerhalb und außerhalb dieser Gebäude sowie der umgebende Kirchhof sind auch Bodendenkmäler. Auf den Kirchhöfen und innerhalb der Kirchenräume wurden die Verstorbenen der Ortschaften oftmals seit dem Mittelalter bis in heutige Zeit bestattet. Sowohl innerhalb als auch im Umfeld von Kirchen ist daher bei Erdarbeiten mit Mauern von Vorgängergebäuden und Gräbern zu rechnen. Besonders bei Letzteren ist ein pietätvoller Umgang mit den menschlichen Überresten von Wichtigkeit.

Schlagworte zum Thema