Führung durch die Restaurierungswerkstatt des LfDH

Bau- und Kunstdenkmalpflege

Mittelalterliche Prachtschränke – Networking und Austausch zu Verschlusssachen sakraler Kontexte

Am 25.und 26.9.2025 lud das Landesamt für Denkmalpflege Hessen in Kooperation mit der Kath. Kirchengemeinde Fritzlar, der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität und dem Dommuseum Frankfurt zu einer Tagung über bemalte mittelalterliche Schränke ein. Die rund 120 Teilnehmenden kamen aus den Fachdisziplinen Denkmalpflege, Kunst- und Kirchengeschichte, Restaurierung und anderen Wissenschaftsgebieten.

Zur Themenfindung

Seit 2018 wird ein bemalter Prachtschrank aus dem frühen 15. Jahrhundert in der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes erforscht und restauriert. Er gehört zur hochkarätigen Sammlung des Fritzlarer Domschatzes, fand aber bisher kaum Beachtung. Untersuchungen an diesem bemerkenswerten Möbel förderten interessante Befunde und zahlreiche Fragen zutage.  Denn unser Wissen um die konkrete Nutzung der wenigen noch erhaltenen Schränke, um ursprüngliche Aufstellungsorte und einst dort verwahrte Kostbarkeiten ist bis heute relativ klein. Gründe dafür liegen in den hohen Verlusten durch Brände, Modernisierungskampagnen oder einer musealen Präsentation, die den ursprünglichen Aufgaben der Objekte lange Zeit nur geringe Aufmerksamkeit schenkte.

Im Austausch mit Fachkollegen entwickelte sich die Idee zu einer transdisziplinären Tagung mit viel Raum für Diskussionen und Austausch zum Themenkomplex: bemalte mittelalterliche Schränken aus sakralen Kontexten.

 

Zur Bedeutung der Tagung

Landeskonservatorin Frau Dr. Verena Jakobi betonte bei der Begrüßung in den Räumen von Schloss Biebrich, wie sehr sie sich über das interdisziplinäre Kolloquium freue: Mit großem wissenschaftlichem Gewinn würden konstruktive, materialtechnologische, restauratorische, ikonographische und funktionale Perspektiven zusammengeführt, um die Geheimnisse der mittelalterlichen Prachtschränke im Kontext ihrer Räume weiter lüften zu können. Auch diese Tagung belege, welch breites Aufgabenspektrum das Landesamt für Denkmalpflege als Fachbehörde abdecke.

Begrüßung der Landeskonservatorin Dr. Jakobi

Der erste Veranstaltungstag

Einen Überblick zu verschiedenen Aspekten dieser liturgisch genutzten, meist reich dekorierten Behältnismöbel gaben gleich mehrere Vorträge. Im Fokus stand die Entstehung der Möbelgattung im sakralen Kontext, die individuell genutzten Möglichkeiten, große Schrankflächen mit Bildern oder geschnitztem bzw. schmiedeeisernem Dekor auszustatten bis hin zur Bedeutung der Bildprogramme in Bezug auf die gesamte Chor- und Kirchenausstattung anhand prominenter Objekte, z. B. aus Doberan und Halberstadt. Darüber hinaus wurden bislang kaum untersuchte Einzelbeispiele ausführlich vorgestellt, etwa der Wienhäuser Majestasschrank (um 1322) oder die Schranknische des Frankfurter Domchores mit ihren bemalten Türen (um 1370), letztere „in Natura“ vor Ort. 

Krönender Abschluss des ersten Tages

Der fulminante Abendvortrag entführte uns in die Zwischenwelt der Sakristei, die als Passageort verschiedenen Wandlungen diente. Nicht nur sakrale Handlungen der Messe, auch deren Akteure bedurften intensiver Vorbereitung. Das Anlegen geweihter Kleidung und die ritualisierte Versenkung ins Gebet versetzten den Priester in die Lage, hiernach „in personam Christi“ zu sprechen und zu handeln.

Der zweite Veranstaltungstag

Der zweite Tag in Wiesbaden begann mit Vorträgen und Führungen zum Fritzlarer Schrank und dessen Umfeld. Die Rekonstruktion seiner lückenhaft erhaltenen Vorderfront in Zusammenschau mit der Bemalung erbrachte konkrete Hinweise auf die einstige Unterbringung der frühesten Fritzlarer Hostienmonstranz. Vorträge zur Geschichte Fritzlars, zum Stifter des Schrankes, dem Chorherren Nikolaus von der Krae d.J. und zum Musikzimmer der Stiftsgebäude, in dem der Schrank lange Zeit aufgestellt war, beleuchteten das historische Umfeld.

Nach methodischen Betrachtungen der Dendrochronologie, vorgeführt an sakralem Mobiliar mit Schablonenmalerei, schloss die Tagung mit einem resümierenden Überblick zu den Gestaltungsvorgaben, die von individuellen Aufstellungsorten und besonderen Erfordernissen der kostbaren Inhalte ausgehen können, vorgeführt am eindrucksvollen Kaufbeurer Schrank und weiteren Beispielen.

Resümee

Besonders gefreut hat uns die Erfahrung des inhaltlichen Ineinandergreifens der diversen Vorträge aufgrund ähnlicher Fragestellungen, welche die Präsentation ganz unterschiedlicher Objekte verband und ein vielstimmiges, aber zusammenhängendes Bild der mittelalterlichen Schränke aus sakralen Kontexten entstehen ließ.

Grußworte Pfarrer Prählers am 1. Tag in Frankfurt

Die gemeinsame Beschäftigung von Kirchengemeinde als Denkmaleigentümer, diversen Wissenschaften und Denkmalpflege kann sehr bereichernd sein. Mit dieser Erfahrung ist der Wunsch verbunden, dass weiterhin möglichst viel der Bemühungen rund um unseren Schrank vor Ort bei den Menschen ankommen möge.

Pfarrer Patrick Prähler, Dom Fritzlar

Da sich die Vermittlungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes in großem Umfang an die Denkmaleigentümer richtet, war die Kath. Kirchengemeinde kontinuierlich eingebunden und aktiv beteiligt bei der Vorbereitung und Umsetzung aller Aktivitäten. Das hatte im zurückliegenden Jahr zu so großem Interesse vor Ort geführt, dass sich bereits Ende März rund 60 Ehrenamtliche aus Fritzlar auf den Weg machten, ihren Schrank in Wiesbaden zu besuchen.