Innenansicht Altes Hallenbad in Friedberg

Bau- und Kunstdenkmalpflege

Die Stadt als Denkmal

Am 27. Februar 2025 haben sich im Alten Hallenbad Friedberg 150 Teilnehmende im Rahmen einer Fachtagung über Instrumente historischer Ortsanalysen und deren Anwendung ausgetauscht.

Im Zentrum der Tagung stand die „Städtebaulich-Denkmalpflegerische Aufnahme (SDA)“, die seit 2016 zur vertieften Untersuchung historischer Ortskerne in Hessen genutzt wird. Die SDA nimmt eine differenzierte Betrachtung erhaltenswerter und strukturbildender historischer Bauten und Strukturen vor. Sie bildet damit die Grundlage für eine nachhaltige, substanzorientierte Stadtentwicklung. 

Grundlagen und Methoden

In anderen Bundesländern sind historische Ortsanalysen bereits seit vielen Jahren etablierte Instrumente. Die hessische SDA ist vergleichsweise jung. Ein vergleichender Blick auf Grundlagen und Methoden städtebaulich-denkmalpflegerischer Analysen zeigt jedoch, dass die Instrumente in den verschiedenen Bundesländern zwar unterschiedlich heißen (Denkmalpflegerischer Ergebungsbogen bzw. Kommunales Denkmalkonzept in Bayern, Historische Ortsanalyse in Baden-Württemberg), sich in der Herangehensweise jedoch ähneln. Die Bearbeitung wird heute enorm erleichtert, weil die Kartierung GIS-basiert erfolgen kann und weil auch in Hessen historische Kartenbestände über das Landesgeschichtliche Informationssystem Hessen (LAGIS) zunehmend digital zur Verfügung stehen.

LAGIS im InternetÖffnet sich in einem neuen Fenster

Städtebau. Denkmalpflege

Foto des Frankfurter Römers.

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Städtebauliche Denkmalpflege in Hessen

Neben Einzelobjekten besteht die hessische Denkmallandschaft wesentlich aus den historischen Stadt- und Dorfkernen.

 

Beispiel Friedberg

Derzeit wird in der Stadt Friedberg eine SDA erstellt. Sie diente als Beispiel, um den Prozess der Erstellung einer SDA anschaulich nachvollziehen zu können. Unterstützt von lokalen Fachleuten konnte der Bearbeiter Sebastian Gulden bereits viele historische Karten, Pläne und Fotos zusammentragen und auf dieser Grundlage viele Gebäude hinsichtlich ihres Alters, ihrer ursprünglichen Nutzung und baulichen Veränderungen „entschlüsseln“. Es folgt eine Einstufung des Baubestandes in erhaltenswerte und strukturbildende Bauten und Freiflächen. Am Ende sollen die Ergebnisse in einem Objektkatalog und erläuternden Texten zusammengefasst werden. Eine „Karte der denkmalpflegerischen Interessen“ gibt einen schnellen Überblick über Kulturdenkmäler und Gesamtanlagen, erhaltenswerte und strukturbildende Bauten und wichtige Freiräume. In Friedberg legt die SDA zudem einen besonderen Schwerpunkt auf die Erforschung und Dokumentation des baukulturellen jüdischen Erbes.

Blick in die Werkstatt

Im Werkstattgespräch ging es auch um die Frage, warum die Stadt Friedberg sich zur Erstellung einer SDA entschieden hat. Bürgermeister Kjetil Dahlhaus bemerkte schon in seiner Begrüßung: „Die Stadt Friedberg hat mit Stadtkirche und Burg prominente Denkmäler, aber in der Altstadt gibt es auch viele Denkmäler in Gefahr. Die SDA wird die Grundlage sein, um die aktuellen Themen und Herausforderungen, die wir in der Friedberger Altstadt haben, nachhaltig anzupacken.“ Bei den Stadtrundgängen vermittelte sich den Tagungsteilnehmerinnen und Teilnehmern ein Einblick in die angesprochene Problematik und die sich daraus ergebenden Fragestellungen.

Vernetzung

Ein entscheidender Aspekt der SDA ist auch die Vernetzung der Akteure: Nicht nur die Erstellung der SDA Friedberg wird vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen begleitet. Auch die Fachtagung ist das Ergebnis einer hervorragenden Kooperation mit der Stadt Friedberg. Sie soll dazu dienen, das eigene Profil zu stärken und im Austausch mit bundesweiten Fachleuten Standards zu etablieren.

Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

Die SDA bietet eine fundierte Analyse des historischen Bestandes für Eigentümerinnen und Eigentümer, aber auch für beteiligte Behörden. Eine Erkenntnis der Tagung war, dass Fragen, die sonst im Einzelfall mühsam recherchiert und begutachtet werden müssen, mit einer SDA für den gesamten Ort beantwortet werden: Welche Gebäude sind erhaltenswert, welche sind verzichtbar? Welche Stadträume und Ansichten sind besonders prägend und daher anfällig für Störungen, welche Plätze oder Wege sind im Gesamtkontext von untergeordneter Bedeutung? Die einmalige und einheitliche Beantwortung im Rahmen einer SDA ermöglicht es, bau- oder denkmalrechtliche Genehmigungsanträge schneller zu bearbeiten und ist damit ein wichtiger Beitrag zur Entbürokratisierung.

Anwendungsmöglichkeiten

Als flexibles Instrument lässt sich die SDA je nach den Themen und aktuellen Herausforderungen vor Ort um verschiedene Bausteine ergänzen. So wurden aufbauend auf der SDA Idstein potentielle Dachflächen für Solaranlagen innerhalb der Gesamtanlage ermittelt.

Zum Solarkataster der Stadt IdsteinÖffnet sich in einem neuen Fenster

Ähnliche Solarkataster werden auch in Baden-Württemberg auf Grundlage der Historischen Ortsanalysen erstellt.

Im letzten Themenblock der Tagung zu Anwendungsmöglichkeiten der SDA wurden zudem Synergien zur Dorfentwicklung und der Erstellung von Kommunalen Entwicklungskonzepten (KEKs) vorgestellt. In Oberkaufungen wurden die Erkenntnisse der SDA mit Analysen zum Gebäudezustand und der Wohnqualität verknüpft. Dadurch ergaben sich, konkrete Hinweise auf den Umgang mit dem historischen Bestand. Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen schließlich erbrachte Anknüpfungsmöglichkeiten an weitere Werkzeuge aus dem Instrumentenkasten von Stadtentwicklung und Städtebaulicher Denkmalpflege, etwa Gestaltungs- oder Städtebauliche Erhaltungssatzungen.

Weitere Kommunen gesucht

Die Tagung endete mit einem Appell der Landeskonservatorin Dr. Verena Jakobi an alle Kommunen aber auch an Planungsbüros, die Erstellung einer SDA in Erwägung zu ziehen. Noch bis Ende 2026 läuft beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen ein Projekt zur Ausweitung der SDA. Dem positiven Friedberger Beispiel könnten weitere gute Projekte folgen.