Foto der Grube Messel.

Ein paläontologisches Bodendenkmal von Weltrang

Die Grube Messel ist ein stillgelegter "Ölschiefer"-Tagebau im Süden Messels (Landkreis Darmstadt-Dieburg). Aufgrund der einzigartigen Erhaltung der dort gefundenen, circa 48 Millionen Jahre alten Fossilien des Eozäns (56-33 Millionen Jahre) wurde das bedeutendste paläontologische Bodendenkmal Hessens am 08. Dezember 1995 zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt.

Exzellent erhaltenes Bodenarchiv

Der Erhaltungszustand der im eozänen Schwarzpelit ("Ölschiefer") eingebetteten Fossilien ist exzellent: bei Wirbeltieren sind Mageninhalt oder Details der Weichteile überliefert, bei Insekten die Aderung der Flügel oder die ursprüngliche Färbung des Chitinpanzers - Informationen, die bei der Fossilisierung zumeist verloren gehen und ein einmaliges Evolutions- sowie Klimaarchiv darstellen. Als bekannteste Vertreter der fossilen Messel-Fauna sind das Urpferd Eurohippus messelensis, der Primat Darwinius masillae ("Ida") sowie der Kranichvogel Messelornis cristata zu nennen.

Geologischer Rahmen

Die Grube Messel liegt auf der nördlichen Verlängerung der Odenwald-Scholle, dem sogenannten Sprendlinger Horst. Odenwald und Sprendlinger Horst zusammen bilden wiederum den nördlichen Teil der östlichen Grabenschulter des Oberrheingrabens. Während im Kristallinen Odenwald das Variszische Grundgebirge zutage tritt, das hier der Mitteldeutschen Kristallinschwelle zugerechnet wird, ist es auf dem Sprendlinger Horst überwiegend von Ablagerungen des Rotliegend (Unter-Perm) überdeckt. Die Sedimente der Grube Messel (Messel-Formation) bilden ein isoliertes Eozän-Vorkommen inmitten dieser Rotliegendsedimente.

Die Gesteine, auf denen die Sedimente des Messeler Eozäns ruhen, entstanden vor über 300 Mio. Jahren. Hierbei handelt es sich zum Teil um granitoide Plutone, die in der Spätphase der Variszischen Gebirgsbildung (Ober-Karbon) entstanden sind, und zum Teil um noch ältere, meist ursprünglich magmatische Gesteine, welche während der Gebirgsbildung tief in die Erdkruste versenkt und metamorphisiert wurden.

Infolge der Abtragung des Variszischen Hochgebirges lagerte sich am Ende des Karbons und im Verlauf des Perms in Becken im Inneren des Gebirges und im Gebirgsvorland Sedimentschichten aus Abtragungsschutt, sogenannte Molasse, ab. Dieser wird in Mitteleuropa allgemein unter dem Begriff Rotliegend zusammengefasst. Im Raum Messel handelt es sich um die sogenannten Moret-Schichten des Ober-Rotliegenden.

Im Mesozoikum wurde die Rotliegend-Molasse von Sedimenten (Sand- und Tonsteinen des Buntsandsteins) überlagert, welche sich heute südöstlich und östlich des Darmstädter Raumes, im Sandstein-Odenwald und im Sandstein-Spessart finden.

Entstehung des Ölschiefers

Die Geschichte des Messeler Ölschiefers beginnt vor etwa 48 Mio. Jahren im Eozän. Europa befand sich infolge der Plattentektonik in etwas geringerer Entfernung zum Äquator und die durchschnittliche globale Temperatur lag deutlich höher als heute. Die Bildung der Alpen löste in und unterhalb der Kruste Mitteleuropas geodynamische Vorgänge aus, welche zum Einsinken des Oberrheingrabens und der Heraushebung der Schwarzwald-Odenwald-Scholle, einschließlich des Sprendlinger Horstes, führte. Infolge der Abtragung der obersten Bereiche der herausgehobenen Schollen wurde im Schwarzwald und im westlichen Odenwald das Variszische Grundgebirge freigelegt. Im weniger stark angehobenen Sprendlinger Horst erfolgte die Erosion nur bis zum Rotliegenden. Verbunden mit den tektonischen Bewegungen war die Entstehung vulkanischer Herde.

Eine Forschungsbohrung, die im Herbst 2001 niedergebracht worden ist, ergab, dass sich auch im Raum Messel ein solcher Vulkanherd befand. Von dort aus stieg basaltisches Magma in Richtung der Erdoberfläche auf und traf dabei auf Grundwasser, wodurch eine gewaltige Dampfexplosion ausgelöst wurde. Diese Explosion erfolgte weniger als 100 Meter unter der damaligen Erdoberfläche und sprengte nicht nur einen tiefen Krater in die Landschaft, sondern zerrüttete auch das umliegende Gestein. Dadurch konnte Wasser in Richtung des Vulkanherdes vordringen und die nächste Dampfexplosion erfolgte dann in entsprechend größerer Tiefe. Durch mehrfache Wiederholung dieses Vorgangs entstand ein insgesamt mehr als 700 Meter tiefer Explosionstrichter im Grundgebirge. Laut einer Ende 2014 publizierten Studie ereigneten sich diese Explosionen vor 48,49 bis 47,89 Mio. Jahren. Während der untere Teil des Trichters Gesteinstrümmer (Brekzien) und Tuff enthält, füllten sich die obersten 200-300 Meter nach Abklingen des Vulkanismus mit Wasser. Es bildete sich ein Maarsee. In diesem lagerten sich anschließend verschiedene Sedimente ab, hauptsächlich der bituminöse Schwarzpelit, der unter dem Namen „Messeler Ölschiefer“ bekannt wurde.

Das allgemein warme Klima und die geringen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen verhinderten zusammen mit der im Verhältnis zur Oberfläche großen Tiefe des Sees einen Wasseraustausch durch Konvektion. Dies führt in den tieferen Wasserschichten unweigerlich zu Sauerstoffmangel sowie einem hohen Schwefelanteil. Durch diese euxinischen Bedingungen in den Tiefen des Maars bildete sich ein Faulschlamm, der toten Tieren und Pflanzen, die den Seeboden erreichten, beste Voraussetzungen für ihre fossile Erhaltung bot. Im Laufe der folgenden Jahrmillionen verdichtete sich dieser Schlamm zu Schwarzpelit, dem „Ölschiefer“, welcher eine Mächtigkeit von bis zu 150 Metern aufweist und somit auf einen Ablagerungszeitraum von rund ca. 1,5 Mio. Jahren deutet.

Die bergmännische Bezeichnung „Ölschiefer“ ist, petrologisch betrachtet, in doppelter Hinsicht unzutreffend. Erstens ist es kein Schiefer, da es sich nicht um ein Gestein handelt, dessen „schiefriges“ Gefüge tektonische Ursachen hat, und zweitens enthält das Gestein kein Erdöl, sondern feste, kohlenstoffreiche Verbindungen, sogenannte Kerogene, bei denen es sich um Vorstufen von Erdöl handelt, und aus denen erst durch ein technisches Verfahren, die sogenannte Verschwelung, Rohöl gewonnen werden kann.

Der durch seine feine Lamination charakterisierte „Ölschiefer“ besteht überwiegend aus Smektiten. Dies sind Tonminerale, die der chemischen Verwitterung basischer Vulkangesteine entstammen. Der Eintrag erfolgte vermutlich überwiegend durch ablaufendes Regenwasser, welches Smektite und deren Ausgangsminerale von den Hängen des Tuffwalls, der den See umgab, auswusch und in den See schwemmte.

Die Quelle des überwiegenden Teils (etwa 80 %) der organischen Bestandteile des Ölschiefers, der Kerogene, sind Algen. Ein Großteil der Lamination des Messeler Ölschiefers entspricht der Wechselschichtung besonders organikreicher mit tonreicheren Lagen. Diese wird damit erklärt, dass die Algen sich in den trockeneren, sonnenreicheren Monaten eines Jahres besonders stark vermehrten und nach ihrem Tod zum Seeboden absanken. Im regenreicheren Halbjahr herrschte Einschwemmung und Ablagerung von Tonmineralen vor.

Funde

Die Fossilfunde aus der Grube Messel sind sehr umfangreich und umfassen neben Pflanzen auch Wirbellose und Wirbeltiere. Allein an Pflanzen, die als Mikro- und Makrofossilien vorliegen, sind mehr als 75 Familien mit über 200 Arten bekannt. Unter den Wirbeltieren konnten bisher gut 130 Taxa nachgewiesen werden, darunter über 40 Arten aus mehr als 30 Gattungen allein der Säugetiere. Zahlreiche Taxa erhielten mit Fossilmaterial aus Messel ihre Erstbeschreibung (stratum typicum, locus typicus).

Der Erhaltungszustand der im Ölschiefer eingebetteten Fossilien ist exzellent: bei Wirbeltieren sind gelegentlich Mageninhalt oder Details der Weichteile mit überliefert, bei Insekten die Aderung der Flügel oder die ursprüngliche Färbung des Chitinpanzers. Solche Informationen gehen bei der Fossilisierung zumeist verloren.

Bei den Fossilien aus der Grube Messel gibt es ein Konservierungsproblem: Das tragende Material, der Schwarzpelit („Ölschiefer“), enthält etwa 40 Prozent Wasser. Trocknet er aus, dann reißt er und zerfällt in kleine Blättchen. Erst seit Anfang der 1960er-Jahre ist es möglich, die Fossilien auf Kunstharz (Epoxidharz oder Polyesterharz) umzubetten und damit zu konservieren.

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