Rekonstruiertes Rössener Haus - Zeiteninsel Archäologisches Freilichtmuseum Marburger Land eG

Die Jungsteinzeit - Fundstellen aus über 3.000 Jahren

Die „neolithische Revolution“ bringt einschneidende Umbrüche: Die Menschen der Jungsteinzeit, 5.500 - 2.200 v. Chr., werden sesshaft und lernen Ackerbau und Viehzucht kennen. Sie bauen Häuser und legen Vorräte an. Neuartige Werkzeuge aus geschliffenem Stein helfen ihnen dabei, Wälder in Äcker umzuwandeln. Die ursprüngliche Naturlandschaft wandelt sich vielerorts in eine Kulturlandschaft.

Das Ende der Jäger und Sammler

Im Altneolithikum errichteten bereits die ersten Ackerbauern und Viehzüchter der sogenannten Linienbandkeramischen Kultur, 5.500 bis 4.900 v. Chr., in den fruchtbaren Tal- und Beckenlandschaften des heutigen Hessen um die Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. weiträumige, oft befestigte Siedlungen. Die Häuser sind bis zu 70 m lang. Ähnlich gewaltig ist die Menge an Funden – vor allem Keramikscherben – die bei Ausgrabungen entdeckt werden.

Prägender Ton

Für die Zeit des Mittelneolithikums war die sogenannten Rössener Kultur, 4.800 bis 4.400 v. Chr., prägend. Typisch sind Tongefäße mit einer flächigen Verzierung aus tiefen Einstichen, die mit einer weißen Masse ausgefüllt waren. Bei Ausgrabungen mittelneolithischer Siedlungen treten diese Gefäße regelhaft in großer Anzahl auf. Unter den Steingeräten fallen übertrieben große Dechsel, Äxte und Breitkeile im Fundgut auf. Zwar werden weiterhin bis zu 50 m lange Häuser errichtet, doch sie haben nun trapezförmige Grundrisse und die Dächer werden nicht mehr von zentralen Mittelpfosten, sondern von massiven Seitenwänden getragen. Manche Siedlungen werden von Erdwerken umgeben. Auffallend selten sind bei Ausgrabungen hingegen Gräber der Rössener Kultur nachzuweisen.

Profil eines Brunnens bzw. einer Wasserschöpfgrube. Gut sichtbar sind die teils noch vollständigen Keramikgefäße. Das Profil ist noch nicht vollständig abgetieft. (Links) Detailausschnitt des Brunnens bzw. der Wasserschöpfgrube mit Keramikgefäßen. (rechts)

Kulturen im Wandel

Während des Jungneolithikums zeichnet sich ein tiefgreifender Kulturwandel ab. Erstmals finden sich in Hessen Belege für Wagen, die durch Rindergespanne gezogen wurden. Auch die ersten Kupfergegenstände treten auf. Die Menschen des Jungneolithikums besiedeln jetzt auch feuchte Niederungen und ausgesprochene Höhenlagen, die vorher als ungünstig galten. Gerade für die Michelsberger Kultur, 4.400 bis 3.500 v. Chr., können ausgedehnte Erdwerke, aber auch mit Wällen und Gräben umwehrte Höhensiedlungen nachgewiesen werden. Verglichen mit der Zahl bekannter Siedlungsstellen sind jedoch erneut auffallend wenige Grabfunde bekannt. Neben Einzelbestattungen und Massengräbern sind auch Niederlegung von einzelnen Körperteilen in Siedlungsgruben und Grabenanlagen bekannt. Die bei Ausgrabungen zahlreich gefundene Keramik umfasst bis zu 1 m hohe Vorratsgefäße, Tulpenbecher, Backteller und Ösenflaschen. In der Wartberg-Kultur, 3.500 bis 2.800 v. Chr., finden sich die aus kleinräumigen Pfostenhäusern bestehenden Siedlungen vornehmlich in Höhen- und Hanglagen. Einzigartig ist die Bestattungsweise bis zu 20 m langen Großsteingräbern, in denen über mehrere Generationen hinweg bis zu 250 Verstorbene niedergelegt wurden.

Die Zeit der Becher

Im letzten Jahrtausend der Jungsteinzeit in Hessen, der Zeit der sogenannten Becherkulturen, existieren die Schnurkeramische Kultur, 2.800 bis 2.200 v. Chr., und die Glockenbecher-Kultur, 2.600 bis 2.200 v. Chr., über einen langen Zeitraum nebeneinander. Aus dieser Epoche gibt es nur wenige durch Ausgrabungen nachgewiesene Siedlungsplätze, was zumindest im Falle der Schnurkeramik mit einem Übergang zur Blockbauweise erklärbar wird. Siedlungen dieser Kultur sind nun auch im Rahmen der archäologischen Begleitung von Baumaßnahmen im Bereich von Flussauen und Dünen anzutreffen. Beide Kulturen bestatten ihre Toten in seitlicher Hocklage. Als Grabbeigaben finden sich oft die namengebenden Keramikgefäße – schlanke, durch Schnureindrücke verzierte Becher oder bauchige, mit Ritzmustern verzierte Glockenbecher. Für die Klärung des Verhältnisses zwischen diesen beiden Kulturen ist die fachgerechte Bergung und Untersuchung des oft schlecht erhaltenen Knochenmaterials ausschlaggebend, denn naturwissenschaftliche Untersuchungen können weitere Erkenntnisse erzielen – auch was die Rolle der Glockenbecherkultur bei der Ausbildung der frühen, teilweise bereits zeitgleich auftretenden Bronzezeitkulturen angeht.

Drohnenaufnahme der Grabung in Wölfersheim-Berstadt

Ausgrabungen auf Fundstellen der Jungsteinzeit

Archäologische Untersuchungen auf Fundstellen der Jungsteinzeit sind oft großflächig, was sich durch die großen Häuser und die viele Hektar umfassenden Siedlungen erklärt. Die Bandkeramiker siedelten bevorzugt auf guten Lössflächen. Hier können heute oft geophysikalische Prospektionsmethoden eingesetzt werden. Bei Ausgrabungen werden vielfach Bagger eingesetzt, um die Menge der Befunde schnellstmöglich zu bewältigen - dies ist jedoch bei jeder Grabung eine Einzelfallentscheidung. Für die Jungsteinzeit typisch sind auch holzverkleidete Brunnen, die viele Meter tief sein können. Aus Brunnen stammt oft auch organisches Fundmaterial wie Holz oder Leder. Die Tiefe mancher Brunnen ist eine besondere Herausforderung bei der Ausgrabung. Aus dem Neolithikum sind zudem viele Bestattungen bekannt, bis hin zu großen Friedhöfen mit mannigfaltigen Beigaben, jedoch nicht aus jeder Einzelepoche. Bei der Ausgrabung solcher großen Gräberfelder kann die Methode der Blockbergung die Grabungsdauer im Gelände verkürzen.

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